
Lebenslauf als Erlebnis
1991
The Show must go on…
oder besser gesagt: Sie beginnt gerade
Herzlich willkommen zu meiner Lebensshow.
Mein Name ist Diana Alieva, oder besser gesagt: Beckmann. Ich begleite euch durch die musikalische Geschichte meines Lebens.
Es ist 1991.
Noch eine Diana erblickt das Licht der Welt. Die Sowjetunion zerfällt. Ötzi wird in den Südtiroler Alpen entdeckt. Der American Boy soll sowjetische Frauen in den Westen locken. BBC World geht zum ersten Mal auf Sendung.
Und während all das geschieht, singt ein britischer Frontsänger mit letzter Kraft gegen das Ende an.
Freddie Mercury, schwerkrank an AIDS, schenkt der Welt einen seiner kraftvollsten Songs: The Show must go on.
Ein Lied, das den Nerv der Zeit trifft. Alles um einen herum fällt auseinander,
die Welt steht Kopf, aber das Leben, sagen wir besser: die Show, geht weiter.
Lass diese Playlist laufen und begleite mich auf einer Reise durch die Jahre.
Jedes Lied steht für ein Stück meiner Geschichte. Jedes Jahr kommt ein neues Lieblingslied dazu.
Zu jedem Titel findest du meine Gedanken, Erinnerungen und manchmal auch ein paar Hinweise auf meine Herkunft, meine Prägungen und das, was mich bis heute begeistert.
Viel Freude auf deiner Zeitreise durch mein Leben.
1993
Auf Papas Schultern
Auf Papas Schultern gab es keine Limits.
Nur die Schwerkraft war manchmal ein Spielverderber – dagegen half der feste Griff in die Haare des Symbionten.
Von dort oben war alles möglich.
Müde Beinchen, lange Strecken, unübersichtliche Menschenmengen? Kein Problem. Die Welt war weiter, höher, leichter. Und Papa war der stärkste Mensch der Welt.
1992
Smells like Teen Spirit
Oder doch nur nach Windeln?
Nach dem chinesischen Horoskop war es das Jahr des Affen und ich benahm mich wohl auch genau so. Ich schwang mich von einem Hängeregal zum nächsten, meine Eltern mussten mich regelmäßig auffangen.
Fun Fact: Teen Spirit ist eigentlich eine Deomarke in den USA. Ein Kumpel von Kurt Cobain schrieb einmal an eine Wand:
"Kurt smells like Teen Spirit."
Er meinte damit das Deo seiner Freundin. Kurt wusste das nicht und hielt den Satz für pure Poesie. So entstand ein Song, der später eine ganze Generation prägte.
1995
Ooouuuu Oooooooouuuu
Animatoren lieben diesen Sound. Besonders die in einem Pionierlager in den Bergen von Kirgistan. Es wird geklatscht, getanzt, gerufen.
Sie wollen doch nur unsere Hände sehen :)
Was viele nicht wissen: Um Sprachbarrieren zu umgehen, wurden in der Sowjetunion internationale Lieder einfach neu erfunden. Nicht wörtlich übersetzt, sondern kreativ. Man nahm eine bekannte Melodie, schrieb einen russischen Text dazu, oft mit völlig anderem Inhalt und tadaaaa: Ein neues Lied war geboren.
Diese Tradition lebt nach dem Zerfall der Sowjetunion fröhlich weiter.
So wurde aus einem obszönen Hit der Vengaboys ein kinderfreundliches „Lasst eure Händchen sehen und klatscht alle zusammen“.
Ein weiteres Meisterwerk sowjetischer Dichtkunst:
Die Übersetzung von One Way Ticket.
Antwort: Blauer, blauer Frost.
1994
Maria Ma
Italienische Popsänger waren in der Sowjetunion sehr beliebt, und dieses musikalische Erbe haben wir weitergetragen.
Als das russische Staatsfernsehen im Jahr 2020 eine große Silvestersendung zur Verabschiedung von 2020 und Begrüßung von 2021 ausstrahlte, wurde ich plötzlich in meine Kindheit zurückversetzt.
Es gibt Videomaterial, auf dem ich das Lied Ma ma ma Maria mit voller Inbrunst singe – immer wieder.
Die neue Interpretation des Klassikers durch das Trio Ricchi e Poveri hat es in sich. Ich mag beide Versionen und bewahre warme Gedanken und Erinnerungen an diesen Song.
Ein Lied, das sich tief eingebrannt hat. Voller Leichtigkeit, voller Kindheit.
1997
Volkslied mit ungeklärtem Ende
Wer hätte gedacht, dass ein Song, der 1997 erschien und bis 1998 in den Charts blieb, meine Liebe zur folkloristischen Musik wecken würde.
Dieses Musikstück, das sich über fünf Strophen erstreckt, erzählt die Geschichte eines jungen Mannes und eines naiven, unschuldigen Mädchens. Das Mädchen spürt, dass der Junge etwas von ihr möchte, weiß aber nicht genau, was es ist. Immerhin begleitet der nervöse Bursche sie höflich nach Hause.
Spoiler: Es endet nicht glücklich für ihn.
Die eigentliche Frage bleibt offen.
Warum zitterten seine Knie? Warum blickte er sich ständig um?
Und was genau wollte der junge Mann bei dem jungen Mädchen daheim
Bis heute weiß es niemand.
1996
Осень, ну, давай у листьев спросим
Herbst, lass uns die Blätter fragen
Was genau die Sängerin von den Blättern wissen wollte, hat die fünfjährige Diana damals noch nicht verstanden. Aber der Song, ein Hit aus dem Jahr 1996, wurde zu meinem Lieblingslied beim Karaoke. Ich habe damit drei Wettbewerbe gewonnen. Vielleicht lag es daran, dass ich immer die jüngste Teilnehmerin war. Wer weiß.
Jedenfalls ist eins sicher: Wenn man mich heute um drei Uhr nachts wecken würde und mir die ersten Akkorde dieses Lieds vorspielt, dann ist der Ohrwurm für den Tag gesetzt.
Ein Glück, dass mein Mann kein Russisch versteht. Denn wie ich später herausfand, handelt es sich nicht um den goldenen Herbst mit bunten Blättern, sondern um den Herbst einer Beziehung. Das lyrische Ich fragt sich, wo der Mai geblieben ist.
1999
Inogda (Manchmal)
Das Jahrtausend neigt sich dem Ende zu. Alsou läuft im Radio und auf meinem Kassettenspieler. Die populäre Sängerin wird damals oft die singende Zapfsäule genannt, weil ihr Vater im Ölgeschäft war und ihre Karriere möglich gemacht hat.
Aber Alsou singt einfach weiter. Über die Liebe, die manchmal da ist und manchmal nicht. Für ein Mädchen kurz vor der Pubertät war das Leben aus heutiger Sicht überraschend klar.
Mit meinen Freunden veranstaltete ich regelmäßig kleine Tanzkonzerte.
Playback, improvisierte Mikrofone, sorgfältig geprobte Choreografie.
Die Bühne war der Platz unter den Fenstern unserer
Erdgeschosswohnung. Alle Eltern haben zugeschaut. Auch mein Papa war dabei, voller Stolz. Und manchmal spendierte er zur Belohnung ein Eis.
Der Kassettenspieler hatte seine beste Zeit schon hinter sich, aber er lief treu weiter. Die Kassette war längst abgenutzt, zurückgespult unzählige Male. CDs waren noch selten.
Manchmal, wenn ich das Lied heute höre, denke ich zurück an diese einfache Zeit. Als das Wichtigste war, etwas zu organisieren und eine echte Show auf die Beine zu stellen.
1998
Pappeln
Pappeln haben eine faszinierende Art zu blühen. Fotografen lieben den Moment, wenn ihre flauschigen Flocken sanft durch das Bild schweben, eingefangen im gleißenden Sonnenlicht.
Allergiker hassen es.
Als ich im September in die erste Klasse kam, war das Lied überall.
Ivanushki International sangen von klaren Sommernächten und vom Schnee im Juli. Ein Ohrwurm mit Suchtpotenzial.
Aber ehrlich gesagt mochte ich das Lied davor viel lieber.
Da ging es um traurige Puppen, die zum Leben erwachen und auf ihre Herrin warten. Die ist allerdings inzwischen erwachsen geworden.
Also im Grunde der Plot von Toy Story. Nur auf Russisch, mit mehr Gefühl.
2001
Ich bin gekommen um
euch dieses Lied zu geben
Vitas ist ein einzigartiger Künstler.
Im Jahr 2001 gehörte er in keine bestimmte Schublade und genau das machte ihn besonders. Trotzdem wurde er populär. Oder vielleicht gerade deswegen. Durch seine Welttournee wurde er sogar in China ein Star. Dort hält man seine Stimme und die Ausführung bestimmter Mantras für etwas Göttliches.
Mein zehnjähriges Ich konnte natürlich nicht wissen, dass 2015 sein Video zu Siebtes Element viral gehen würde. Und dass man ihn fortan mit diesen berühmten blblblblblblbllb Lauten verbinden würde.
2019 stand er plötzlich auf der Bühne des Tomorrowland Festivals, gemeinsam mit Timmy Trumpet.
Also ja, er ist gekommen um uns ein Lied zu geben.
Ein Lied voller Liebe, Energie und Rätsel.
2000
oops… I did it Again
Oops... I Did It Again
Britney Spears ist und bleibt die Ikone der 2000er.
Das Lied erschien am 11. April 2000 und wurde mehr als nur ein Hit. Es wurde zur Hymne eines Gefühls, zum Soundtrack eines neuen Anfangs, einer aufsteigenden Zukunft.
Ich bin aufgewachsen mit russischer und sowjetischer Estrade. Internationale Hits erreichten mich nur vereinzelt. Aber dieser Song war einer davon.
Ich konnte nicht genug bekommen von dieser mit Pepsi schimmernden Popwelt, von dem Gefühl, dass alles möglich ist. Als würde die Menschheit bald zum Mars fliegen und die Welt uns zu Füßen liegen.
Ein Lied, das nach mehr klingt. Mehr Glanz. Mehr Zukunft.
2003
Inogda (Manchmal)
Das Jahrtausend neigt sich dem Ende zu. Alsou läuft im Radio und auf meinem Kassettenspieler. Die populäre Sängerin wird damals oft die singende Zapfsäule genannt, weil ihr Vater im Ölgeschäft war und ihre Karriere möglich gemacht hat.
Aber Alsou singt einfach weiter. Über die Liebe, die manchmal da ist und manchmal nicht. Für ein Mädchen kurz vor der Pubertät war das Leben aus heutiger Sicht überraschend klar.
Mit meinen Freunden veranstaltete ich regelmäßig kleine Tanzkonzerte.
Playback, improvisierte Mikrofone, sorgfältig geprobte Choreografie.
Die Bühne war der Platz unter den Fenstern unserer
Erdgeschosswohnung. Alle Eltern haben zugeschaut. Auch mein Papa war dabei, voller Stolz. Und manchmal spendierte er zur Belohnung ein Eis.
Der Kassettenspieler hatte seine beste Zeit schon hinter sich, aber er lief treu weiter. Die Kassette war längst abgenutzt, zurückgespult unzählige Male. CDs waren noch selten.
Manchmal, wenn ich das Lied heute höre, denke ich zurück an diese einfache Zeit. Als das Wichtigste war, etwas zu organisieren und eine echte Show auf die Beine zu stellen.
2002
Pappeln
Pappeln haben eine faszinierende Art zu blühen. Fotografen lieben den Moment, wenn ihre flauschigen Flocken sanft durch das Bild schweben, eingefangen im gleißenden Sonnenlicht.
Allergiker hassen es.
Als ich im September in die erste Klasse kam, war das Lied überall.
Ivanushki International sangen von klaren Sommernächten und vom Schnee im Juli. Ein Ohrwurm mit Suchtpotenzial.
Aber ehrlich gesagt mochte ich das Lied davor viel lieber.
Da ging es um traurige Puppen, die zum Leben erwachen und auf ihre Herrin warten. Die ist allerdings inzwischen erwachsen geworden.
Also im Grunde der Plot von Toy Story. Nur auf Russisch, mit mehr Gefühl.